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Können Ortolan-Schutzflächen auch für Ackerwildkräuter von Bedeutung sein?

11. Dezember 2024 | Landwirtschaft, Lebensräume, Naturschutz

Diese Frage haben wir uns gestellt und in den Jahren 2023 und 2024 untersucht. Dabei haben wir extensiv bewirtschaftete Äcker sowie Äcker ohne AUKM-Programm verglichen, um herauszufinden, ob Flächen, die ursprünglich zum Schutz des Ortolans ausgewiesen wurden, auch als Lebensraum für die immer seltener werdenden Ackerwildkräuter von Bedeutung sind.

Im Juni und Juli 2023 sowie 2024 wurden Ackerflächen mit und ohne AUKM-Maßnahmen in den Landkreisen Uelzen und Lüchow-Dannenberg hinsichtlich ihrer Ackerwildkräuter untersucht. Anschließend erfolgte eine Einstufung der Flächen nach ihrem Naturwert, basierend auf dem HNV-Farmland-Indikator (HNV = High Nature Value). Der Indikator dient als Messgröße für Landwirtschaftsflächen mit hohem Naturwert und dokumentiert die Entwicklung der naturschutzfachlich wertvollen Flächen und Strukturen in der Agrarlandschaft. Das HNV-Monitoring, das seit 2016 verpflichtend von der EU eingeführt wurde, hat zum Ziel Veränderungen der Biodiversität zu erfassen und unter anderem die Gemeinsame Agrarpolitik (GAP) zu evaluieren. Es wird beim HNV-Monitoring zwischen folgenden vier Kategorien unterschieden:

  • I (HNV1) äußerst hoher Naturwert
  • II (HNV2) sehr hoher Naturwert
  • III (HNV3) mäßig hoher Naturwert
  • X geringer oder sehr geringer Naturwert (keine HNV-Fläche)

Beispielsweise wies Deutschland für das Jahr 2022 einen Anteil von 13,4% HNV-Fläche an der gesamten Landwirtschaftsfläche auf (BfN). Grünland stellt dabei knapp die Hälfte der Flächen mit hohem Naturwert dar, wohingegen Acker mit nur 0,9% dazu beiträgt - neben weiteren strukturreichen Landschaftselementen wie Brachen, Hecken oder Gehölze. 

Die Methodik der HNV-Kennarten, um Agrarland mit hohem Naturwert zu definieren, ist vergleichbar mit den momentanen AUKM-Programmen für GN5 oder auch der Ökoregelung 5, bei denen die Anzahl der vorgefundenen Kennarten (4, 6 oder 8 Kennarten) über die Wertigkeit der Grünlandvegetation und somit über die Höhe der Förderung entscheidet. Bei der HNV-Bewertung für Ackerland werden die Flächen in mäßig hohen Naturwert (4-5 Kennarten), sehr hohen Naturwert (7-8 Kennarten) bis äußerst hohen Naturwert (8 und mehr Kennarten) eingeteilt. In der Erfassungsanleitung vom BfN werden für die Bewertung von Ackerflächen auch sogenannte Kennarten erhoben. Für den Vergleich von Ackerflächen mit Ortolan-Programm und ohne AUKM-Programm, wurde der HNV-Erfassungsbogen für Acker und Rebflächen verwendet. Insgesamt sind auf der bundesweit gültigen Liste für den Lebensraum Acker 39 Kennarten aufgeführt.

Das Ziel dieser Untersuchung war es zu ermitteln, inwiefern die Agrarumwelt- und Klimamaßnahme „AN 6“ (naturschutzgerechte Bewirtschaftung zum Schutz des Ortolans) früher „BS 5“ (Mehrjährige Schonstreifen für den Ortolan) auch einen positiven Effekt auf die Ackerwildkräuter haben kann, bzw. zu untersuchen inwiefern diese Flächen einen hohen Naturwert aufweisen und somit nicht nur für den Ortolan besonders wertvoll sind. Zusätzlich wurden Flächen mit „AN4“ (Naturschutzgerechte Bewirtschaftung zum Schutz von Ackerwildkräutern) und mit „AN2“ (Extensiver Getreideanbau oder auch Weiter Reihe genannt).

Im Jahr 2023 wurden in der Ortolan-Kulisse insgesamt 19 von 39 möglichen Kennarten nachgewiesen. Am häufigsten vertreten waren Kornblumen, Wicken, sowie auch Storchenschnabel bzw. Reiherschnabel Im Jahr 2024 stieg diese Zahl sogar auf 23 Arten. Besonders hervorzuheben sind die Standorte Govelin, Dickfeitzen und Lanze, die für ihre Vorkommen seltener Pflanzenarten wie Arnoseris minima (Lämmersalat) und Hypochoeris glabra (Kahles Ferkelkraut) von Bedeutung sind. Beide Arten stehen auf der Roten Liste und sind daher besonders schützenswert.

Der Boxplot (siehe unten) veranschaulicht die Verteilung der Ackerwildkräuterarten auf den verschiedenen Flächenarten (Ortolan-Flächen, Ackerwildkräuter-Flächen, Weite-Reihe und Flächen ohne Programm) in den Jahren 2023 und 2024. Der Vergleich zeigt, dass auf Ortolan-Flächen tendenziell mehr Arten vorkommen. Im Mittel verzeichnen Ortolan-Flächen mit AN6 fünf Kennarten, während Flächen ohne Extensivierungsprogramm nur eine Kennart aufweisen. Auch Flächen mit Weiter-Reihenaussaat und im AN4-Programm weisen eine höhere Artenzahl auf als Flächen ohne Programm.

Die Pilotuntersuchung hat gezeigt, dass generell alle Ackerflächen, die im Rahmen einer Extensivierungsmaßnahme (AN4, AN6, WR) bewirtschaftet werden, eine höhere Artenanzahl von Ackerwildkräutern aufweisen als die Flächen ohne Programm und somit einen höheren Naturwert aufweisen. Laut HNV-Monitoring (siehe Grafik unten) weisen demnach Flächen ohne AUKM nur ca. 10 % einen Naturwert auf, wohingegen ca. 75 % der Flächen mit den Extensivierungsprogrammen einen hohen oder sehr hohen Naturwert und weitere ca. 8 % einen äußert hohen Naturwert aufweisen.

Es lässt sich festhalten, dass sowohl AN4-Flächen, die speziell zur Förderung von Ackerwildkräutern eingerichtet wurden, als auch AN6-Flächen, die dem Schutz des Ortolans dienen, zur Förderung von Ackerwildkräutern beitragen. Jedoch muss berücksichtigt werden, dass ein zu lückiger Getreide-Bestand zwar den Ackerwildkrautbestand fördern kann, aber gleichzeitig die Qualität des Bruthabitats des Ortolans verschlechtert. Besonders im Jahr 2023 wurden AN6-Flächen mit sehr lückigem Getreidebestand kartiert. Der Ortolan benötigt jedoch eine ausreichende Vegetationsbedeckung.

Das Programm AN4 fördert bereits die Ackerwildkräuter, sodass AN6 weiterhin den Schutz des Ortolans als Priorität haben sollte. Eine zu geringe Aussaatstärke bei AN6 ist deshalb unbedingt zu vermeiden. Abschließend lässt sich festhalten, dass das Programm für den Ortolan (bei Einhaltung einer Mindestaussaatstärke und ausreichender Nährstoffversorgung der Feldkultur) nicht nur die Population des Ortolans unterstützt, sondern nebenbei auch den Ackerwildkräutern einen immer seltener werdenden Lebensraum bieten kann. Die vorliegenden Ergebnisse bestätigen, dass die Anwendung eines Extensivierungsprogramms in Form der angebotenen AUKM-Maßnahmen in Niedersachsen (AN2, AN4 und AN6) die Artenvielfalt fördert und eine wichtige Rolle für den Schutz von Ackerwildkräutern spielt.

 

 

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